Virtuelles-Orchesterprojekt

Über ein virtuelles deutsch-schottisches Orchesterprojekt des Norddeutschen ZupfOrchesters und Da Capo Alba
Ein Bericht von Maren Trekel

Das Goethe-Institut förderte internationale Orchesterfreundschaft in Corona-Zeiten. Das Förderangebot des Goethe-Instituts fiel mir im März 2021 in die Hände, als wir uns mit dem Norddeutschen ZupfOrchester (NZO) seit November im zweiten Lockdown befanden, der nächste Lockdown im Herbst 2021 diskutiert wurde und ich nach interessanten Probeninhalten suchte.

Mit dem Orchester Da Capo Alba (DCA) in Schottland sind wir schon länger befreundet, also nahm ich zur Leiterin Barbara Pommerenke-Steel Kontakt auf, um ihr meine Projektidee vorzustellen:

„Wir erarbeiten in drei Probenphasen auf der Plattform Zoom ein eigens für dieses Projekt komponiertes Werk und führen es gemeinsam online öffentlich auf. Dieses Werk berücksichtigt bzw. beinhaltet die Besonderheiten und Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Musizieren über einschlägige Videokonferenzsysteme wie Skype, Zoom o.ä.: Latenz, Veränderungen des Klangs, veränderte Wahrnehmung der Musizierpartner etc.“

Barbara war von der Idee begeistert und konnte den jungen Komponisten Nicholas Olsen gewinnen, der die Herausforderungen dieses Kompositionsauftrags reizvoll fand.

Anfang August trafen sich Barbara, Nicholas und ich online zu einem Vorgespräch. Im Frühjahr lernten wir (NZO) die Musizierplattform „Jamulus“ kennen und haben sie seitdem für unsere Probenarbeit genutzt. In diesem Vorgespräch ging es auch darum, ob man tatsächlich bei dem ursprünglichen Ansatz, Zoom als Basis des Projektes zu nutzen, bleiben wollte oder die deutlich komfortablere Plattform „Jamulus“ (gleichzeitiges und latenzfreies Musizierens!) nutzen wollte. Wir legten einen Zeitplan fest: Es war geplant, ab Ende Oktober drei Proben und die Uraufführung zu gestalten und entschieden uns für „Jamulus“ als Probenplattform.

Nicholas Olsen beschloss, seine Impressionen für die Komposition aus einem Fragenkatalog zu gewinnen, den er den Musiker*innen beider Orchester vorlegte. Die Fragen beschäftigten sich vor allem mit allgemeinen Themen wie: wo man im Urlaub war, in welcher Zeit man gern gelebt hätte, welche Farben oder Früchte man mag, aber auch, wie man Corona erlebt, was man an seinem Instrument mag usw.

Ende September fand ein gemeinsamer Workshop über Zoom statt, in dem Nicholas den Musiker*innen von NZO und DCA seine inzwischen fertiggestellte Komposition erklärte. Er betonte immer, offen für jegliche Veränderungsvorschläge zu sein, die sich aus dem Probengeschehen ergeben. Wie sich herausstellte, war diese Bereitschaft sehr hilfreich.
In der ersten Probe wurden Herausforderungen deutlich, die es zu bearbeiten galt: unter der Woche stellte sich eine Stunde Zeitverschiebung bezüglich des Probenbeginns als problematisch heraus. Zweisprachige Probenarbeit kostet mehr Zeit und ist zusätzlich anstrengend, wenn man sich nicht oder nur zum Teil sieht.

Das NZO hatte sich technisch schon aufgerüstet, Erfahrungen auf „Jamulus“ sammeln können und war schon einige Proben lang wieder in Präsenz zusammengekommen. Der Schritt zurück ins Internet ohne Lockdown-Notwendigkeit führte zwar nicht zu Begeisterungsstürmen, jedoch hatte DCA gerade erst wieder in Präsenz treffen können, so dass der Schritt ins Internet innerhalb des Förderungszeitraums zu einem ungünstigen Zeitpunkt in den Probenalltag fiel. Daher organisierte sich DCA in kleinen „Orchesterchen“, so dass die „Jamulus-Stationen“ mit mehreren Personen besetzt waren, aber dadurch mit anderen organisatorischen und technischen Herausforderungen kämpfen mussten.

In der dritten Probe gelang es uns, das Werk so zu musizieren, dass es ein gemeinsames Musiziererlebnis wurde! Die Begeisterung darüber, dass wir es geschafft hatten, die Musik unter diesen Umständen zum Leben zu erwecken, hatte zu spontanem Jubel und Applaus geführt. Wir haben die Probe aufgenommen und eine der Versionen als offizielle Uraufführung benannt.

In diesem Zusammenhang möchte ich mich ausdrücklich beim Goethe-Institut bedanken, das den Erfolg des Projekts ausdrücklich nicht am Verwirklichen des ursprünglichen Projektplans festmachte, sondern auch gewonnene Erkenntnisse als Projektergebnis anerkannte.
So können wir mit der Uraufführung, auch wenn sie nicht live stattgefunden hat, ein Projekt abschließen, das sich aus meiner ursprünglichen Idee, unsere Probenarbeit aufzulockern und für ein vielleicht auch unterhaltsames musikalisches Erlebnis zu sorgen, zu einer ambitionierten internationalen Zusammenarbeit mit großem Erfahrungswert entwickelt hat.
Ein Film mit der Uraufführung sowie Interviews des Komponisten und der Dirigentinnen kann weiter unten angesehen und angehört werden.

20 Questions

NZO und Da Capo Alba spielen eine Komposition von Nicholas Olson. Vorab Interviews mit dem Komponisten und den beiden Dirigentinnen Barbara Pommerenke und Maren Trekel ...

Link nach YouTube ...